Und wieder kriecht Hans Rauscher vor der Kirche zu Kreuze


Cahit Kaya Zerbrochenes Kreuz am Boden

Veröffentlicht am Mai 15th, 2013 | von Cahit Kaya

 

15.5.2013, Wien. (HN, Cahit Kaya) Hans Rauscher schreibt regelmäßig für die österreichische Tageszeitung “Der Standard”. Seit dem Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien positioniert er sich deutlicher zu Gunsten der Katholischen Kirche und zeigt sich offen als Gegner der längst kämpferisch gewordenen säkularen Kräfte in Österreich.

Kruzifixe in Schulen und Gerichtsräumen

In seinem aktuellen Artikel bezieht er sich auf ein Urteil, welches dazu führte, dass in einer Wiener Volksschule die Kruzifixe abgehängt werden mussten (wir hatten berichtet). Eine Mutter erwirkte dieses Urteil durch ihre hartnäckige Haltung und berief sich dabei ausgerechnet auf das Konkordat, welches der katholischen Kirche sämtliche Privilegierungen zusicherte.

Das Konkordat

Das zwischen dem pro-katholischen Diktator Dollfuß und dem Vatikan im Jahr 1933 geschlossene Konkordat regelte auch das Anbringen der Kruzifixe in den Schulklassen. So war ein Kreuz anzubringen, wenn über 50% der SchülerInnen ihre Religion als eine der christlichen Konfessionen angeben. Dies ist heute aber nicht immer der Fall.

Viele SchülerInnen geben mittlerweile an, ohne religiöses Bekenntnis zu sein, oder sind Kinder muslimischer Eltern und daher als Angehörige des Islams vermerkt. Das war auch an der besagten Volksschule in Wien der Fall. Die Mutter, die für das Abhängen der Kruzifixe kämpfte, war übrigens keine Muslimin. Sie war einfach nur konfessionsfrei und störte sich daran, dass ihr Kind gezwungen wurde, ständig mit dem Kreuz konfrontiert zu werden, ohne dieser bevorzugten Religion anzugehören. Sie störte sich an der religiösen Bevormundung an sich.

Das Kreuz neu legitimieren

Seit das Konkordat nun argumentativ nicht mehr immer für die Durchsetzung eine pro-kirchlichen Haltung genutzt werden kann, spricht sich Rauscher für eine Neuregelung dieser Frage aus. Hans Rauscher fragt sich, ob die seelische Gesundheit des Kindes jener Mutter denn vom Anblick des Kruzifixes beeinträchtigt gewesen wäre. Wäre in die andere Richtung gefragt das Kind christlicher Eltern denn einer Beeinträchtigung seiner “seelischen Gesundheit” ausgesetzt, wenn das Kreuz dort nicht mehr hängen würde? Vermutlich nicht, wenn man Rauschers Argumentation folgt. Dann fragt man sich aber nach dem Sinn dieses Arguments.

Wer nur durch Anblick zwei aneinander geklebter Holzstücke an seinen Glauben erinnert werden kann, sollte sich fragen, wie gefestigt dieser Glaube überhaupt ist. Missionierung und ständiges erinnern an eine bevorzugte Religion ist nicht die Aufgabe von Schulen, die unabhängig von Glauben oder Unglauben der Schülerinnen alleine den Auftrag haben, den Kindern Wissen zu vermitteln. Zumindest in der Theorie sollte es so sein.

Missionierung wird als Toleranz verkauft

Wer diese Missionierung unter Berufung auf eine Mehrheit jener Kinder rechtfertigt, die sich als christlich definieren und dies auf Kosten anderer tut, der sollte sich fragen, wie sehr die Nächstenliebe und Toleranz Andersdenkender oder -gläubiger gegenüber ausgeprägt ist, wenn der eigene Glaube ohne Rücksicht auf die Sichtweise anderer Menschen dominieren soll. Das Gerede von Toleranz verkommt hier zu einer leeren Phrase und der Wunsch nach Missionierung rückt dabei in den Vordergrund.

Die christliche Minderheit

Schließlich fragt Rauscher selbst: “Gilt nicht auch so etwas wie Toleranz gegenüber einer Minderheit, die in diesem Fall eben eine christliche war?” Das fragt er nur deshalb, weil nun das Konkordat im Falle oben genannter Mutter seine missionarische Wirkung an den Schulen verliert. In vielen Fällen wird genau andersrum argumentiert. Nämlich, dass nunmal die Mehrheit noch wie vor Mitglieder christlicher Kirchen sei und daher das Symbol des Christentums dominieren solle.

Gefährlich ist dies deshalb, weil dann die Frage gestellt werden muss, ob dann bei einer Mehrheit muslimischer Kinder denn ein Halbmond da hängen sollte. Oder aber, ob aus Rücksicht vor einer muslimischen Minderheit (Rauscher spricht hier von Toleranz), denn nicht etwa auch ein Halbmond dort hängen sollte. Immerhin gibt es seit 1912 das sogenannte Islamgesetz, welches auch den Islam offiziell als gleichwertig mit den christlichen Religionen anerkennt.

Gleiche Rechte und Pflichten

Der Wiener Kardinal Schönborn machte dies deutlich, als er unlängst in einem Artikel betonte, dass alle in Österreich anerkannten Religionsgemeinschaften (an der Zahl 14) die selben Pflichten und Rechte vor dem Gesetz hätten. Heißt das nun, dass aus Sicht der katholischen Kirche auch islamische Verbände nun auf ihr “Recht” pochen könnten, den Halbmond bei über 50% Anteil in den Klassen anzbringen? Vermutlich wird dies von den Islamverbänden so gedeutet werden, die sich dabei selbst längst daraif beziehen, dass auch die katholische Kirche diese Privilegien genießt. Sie wollen ebenfalls ihr Stück vom Kuchen.

Christliche Prägung

Um diesem Dilemma zu entgehen und einen möglichen Anspruch islamischer Verbände zu verhindern, argumentiert Rauscher wie viele andere Protagonisten einer pro-kirchlichen Argumentation mit der christlichen Vergangenheit Österreichs. Ab hier wird er reaktionär. Denn wenn man alleine das Zustandekommen des Konkordats betrachtet, so war dies ein Abkommen zwischen einer pro-katholischen Diktatur und dem Vatikan.

Diese christliche Vergangenheit war nicht immer sehr rosig. Erst Recht nicht, wenn man den Umgang der katholischen Kirche mit Andersdenkenden und -gläubigen ansieht. Besonders in Zeiten der Vorherrschaft der katholischen Kirchen, als sie noch deutlich mehr Einfluss auf Politik und Gesellschaft hatte und auch gewillt waren, diesen Anspruch gewaltsam durchzusetzen.

Die Gefahr dieser Argumentation

Das gefährliche an Rauschers Argumentation ist, dass er sowohl als christliche Minderheit, aber auch als christliche Mehrheit ein mal demokratisches, dann wieder ein historisches Recht abzuleiten versucht, warum das Kreuz dort hängen sollte. Anstatt die Religion zur Gänze aus den Schulklassen zu verbannen, liefert Rauscher hier Argumente für andere Religionen, die selbst sowohl als Minderheit, als auch als Mehrheit in den Schulklassen für ihr demokratisches oder historisches “Recht” (das Islamgesetz) auf Anbringen, zum Beispiel eines Halbmondes, pochen könnten.

Rauscher und Konsorten sind auf dem besten Weg, mit ihrer Argumentation die Schulen zu einem Schlachtfeld der missionarischen Religionen umzufunktionieren, wo irgendwann die Kinder selbst getrieben vom missionarischen Eifer (ihrer Eltern) beginnen werden, sich zu bekriegen. Und alle werden dabei auf ihr (angebliches) Recht pochen, so wie es auch Rauscher hier gerne vormacht.

 

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Über den Autor

Cahit Kaya

Früher war ich Moslem, heute bin ich Humanist. Meine Schwerpunkte: Islam, Menschenrechte und Migration. Ich engagiere mich auch für die Initiative Ex-Muslime www.exmuslime.at



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